Transkription

Endorf, Oberbayern, Paul Clemen,17.4.42

Hochverehrter Herr Professor!

Die Zeitungen bringen die Nachrichten
von Ihrem 65. Geburtstag und von der Ihnen zu Teil
gewordenen Ehrung — Da möchte ich im Gedenken an
Begegnungen in zurückliegenden Zeiten dem von mir
auf das Höchste geschätzten Künstler, dessen Entwicklung
und Aufstieg ich mit Interesse und Bewunderung
verfolgt habe — zugleich dem Bruder in Goethe (da mich
der Führer im Vorjahr zu meinem leider schon 75. Geburts-
tag mit der gleichen Medaille auszeichnete) meine
aufrichtigen und herzlichen Glückwünsche senden. Es
ist für mich eine große Freude, auf den Münchener
Ausstellungen immer wieder einem neuen Kolbe
zu begegnen, der sich in der Reinheit der Form von
vielen halbguten und übersteigerten Dingen in der
Nachbarschaft so beglückend abhebt. Vielleicht begegne
ich auch dem Schöpfer einmal im Hause der Deutschen
Kunst. Daß die deutsche Kunstgeschichtschreibung Ihr
Schaffen dauernd verfolgt, wird für Sie eine gewisse
Genugtuung bedeuten. Der 65. Geburtstag bedeutet
für den Akademiker den Ruhestand — der für mich
ein Unruhestand geworden ist. Möge das nächste
Jahrzehnt weiter für Sie ein reiches und fruchtbares
sein — es gilt noch so viel zu schaffen — und der
Jugend von heute ein würdiges erfülltes Künstleralter
vorzuleben! Zunächst aber eine dritte Jugend!
Mit den besten Grüßen
in alter Verehrung

Ihr
Paul Clemen