Transkription

[bis zur Signatur von anderer Handschrift geschrieben]

Rapallo Italien
Hotel Savoye
den 9.III.31.

Mein lieber Georg!

Gern hätte ich Dir mit eigener Handschrift
gechrieben, da ich aber nach einem zweiten
Rückfall meiner Grippe wieder mit Fieber
zu Bette liege, so will ich Dir doch endlich
Gruß und herzlichen Dank für Deine so
freundlichen Worte sagen. – Da Du kein
Mann vieler Worte bist, so bin ich mir
der Bedeutung Deiner Zeilen voll bewußt
und fühle, daß du mir in Deinem
Eremitenleben eine freundschaftliche
Gesinnung bewahrt hast. Dafür bin ich
Dir herzlich dankbar. Sei versichert,

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lieber Georg, daß ich aller derer, die
mit auf meinem bescheidenen
Wege Begleiter und Helfer gewesen
sind, in tiefster Dankbarkeit ge-
dacht habe. So war es mir eine große
Enttäuschung, vor meiner Abreise
nicht die schönsten Blumen, die ich erhalten
habe, auf die Gräber von Math(1) und
Corinth(2) niederzulegen. Aber gleich
nach dem Festessen, dem ich nur 2 Stunden
beiwohnen konnte, erlitt ich einen so starken
Rückfall der Grippe, daß mich Frau(3)
und Schwiegermutter nach Rapallo ver-
schleppten. Hier neuer Rückfall und
Fieber, sodaß ich wohl noch mehrere Tage
zu Bett liegen muß. Nach meiner

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II

Rückkehr – ich bleibe nur solange, bis ich
mich erholt habe – hoffe ich, Dich bald auf-
zusuchen. Bis dahin lebewohl und sei
nochmals meiner Dankbarkeit und
freundschaftlichsten Gesinnung versichert.

Dein
Leo

Anmerkungen

  1. Mathilde Tardif (1872, Marseille – 5.5.1929, Woltersdorf), Malerin. Zwischen 1901 und 1906 Ausstellungen in der Berliner Secession. Verheiratet mit Leo von König von 1907 – 1920. Suizid im Hause der Eltern von König.

    http://d-nb.info/gnd/1207580368
  2. Corinth, Lovis (21.7.1858, Tapiau, Ostpreußen – 17.7.1925, Zandvoort, Holland), Maler, Grafiker

    http://d-nb.info/gnd/118522140
  3. zweite Ehefrau Leo von Königs, Anna von König (geb. von Hansemann, 20.2.1897, Berlin – 24.12.1992, München), Malerin, Schülerin Leo von Königs in Berlin