Transkription

D.[Dresden] 8.7.03

Lieber Kolbe,

Ich melde mich also nochmals feierlich für nächsten
Dienstag an. Abends gegen 6 Uhr komme ich mit
dem Schnellzug nach Leipzig, wo ich zur Nacht bleiben
will. Am anderen Morgen werden wir dann, wie
Du sehr schön vorschlägst, nach Weimar fahren und dort
den Tag bleiben. Wir werden dann, wenn Du nicht
noch eine Änderung des Plans wünschst, am Donners-
tag bis Fulda fahren und können wohl noch am
selben Abend bis Gersfeld in der Rhön kommen. Dort,
denke ich, fängt dann das Wandern an. Was ich da-
runter verstehe, fragst Du? Nun beruhige Dich nur,
sicher etwas ohne Normalhemden(1) und Turnerlieder.

Seite 2

Aber immerhin. Ich habe mir extra dazu ein paar
Stiefel machen lassen, die sind nicht von Pappe. Du wirst
gewiß staunen, wenn Du sie siehst. – Ich denke, eine große
Reisetasche bis nach Gersfeld mitzunehmen, sodaß man
an frischer Wäsche keinen Mangel hat. Ich denke, von dort
aus kann man ein paar Ausflüge machen und
wieder zurückkehren; das ganze Gebirge ist ja nicht
eben groß. Dabei kommts mir freilich auch darauf
an, mich ordentlich müde zu laufen, und ich hoffe,
Dich dazu herumzubekommen. Du kannst ja dann
in Holland Dich in anderer Weise pflegen. Freilich ist
das eine Schwierigkeit, daß Du Dich von etwas ganz
anderem auszuruhen hast als ich. Aber wir werden

Seite 3

schon einig werden, auch wenn Du keine so barbarischen
Schuhe hast wie ich. Das nähere habe ich mir selbst noch
nicht überlegt. Dazu wird wohl Zeit sein, wenn wir
erst dort sind. Nur noch dies: Ich will mir ein
Rundreisebillet nehmen, weil ich dann nicht dieselbe
Strecke zurückfahre. Wir nehmen doch III. Klasse?

Bei Richter(2) habe ich nocheinmal ein langes
Gespräch mit dem Inhaber Holst(3) gehabt, der Erfolg
ist leider kein sehr klarer. Ich werde Dir, da es
nun nicht eilt, mündlich darüber berichten.

Was Du über meinen Bruder schreibst, freut
mich sehr. Ich hoffe, ihn am Dienstag Abend in
Leipzig zu sehen. Deine Frau ist doch noch da?
Natürlich will ich dann am Dienstag zuerst

Seite 4

zu ihr hinaus. Bitte grüße sie bestens. Ich freue
mich sehr auf das Zusammensein mit Dir. H.S.

Anmerkungen

  1. Normalhemden gehörten zur von dem Zoologen und Mediziner Gustav Jäger (1832 – 1917) entwickelte wollenen Reformkleidung, der sogenannten Normalkleidung, seit 1879 hergestellt.

  2. Kunstsalon Emil Richter, Dresden, gegr. 1848

  3. Holst, Hermann, Leiter des Kunstsalons Emil Richter in Dresden, Titel "Königlicher Hofkunsthändler" ab 1899, ab 1904 Sekretär des Sächsischen Kunstvereins

    http://d-nb.info/gnd/127601503 (nicht sicher)