Transkription

21.6.03 [Datum von anderer Hand zugefügt]

Lieber Kolbe.

Ich benutze den Sonntag nachmittag, um Dir auf Deinen
Brief zu antworten, für den ich schon mit der Karte dankte.

Dieselbe unbehagliche Empfindung, die Du während Deines Aufent-
halts in Dresden gehabt hast, bin ich natürlich ebensowenig los ge-
worden. Es wäre gut, sich das mal vom Herzen wegzureden, aber
ich sehe, daß es sehr schwer ist und gewiß nicht mit einem solchen
Brief erledigt werden kann. Denn wenn ich es recht betrachte,
so hat ja doch Dein Dresdner Besuch nicht irgend etwas That-
sächliches ans Licht gebracht, das zwischen uns aus dem Weg
zu räumen wäre. Davon kann die Rede nicht sein. Und
ebenso wenig, mein Lieber, dürfen die kleinen Äußerlich-
keiten, die hier häßlich waren, oder die Dir einen schlechten
Eindruck hinterlassen haben, irgend in Betracht kommen.

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Ich habe nur eben das eine bei Deinem Hiersein sehr schwer
empfunden, daß wir nämlich überhaupt noch nicht so zusammen ge-
wesen ist [sind], wie es mir absolut nötig scheint, wenn wir eine ge-
meinsame Basis schaffen wollen, wie sie für zwei Leute nötig ist,
die sich soviel angehen wie wir uns. Gerade deshalb ist aber
eben auch mit dem Schreiben nichts gewonnen, und wir könnten
dabei höchstens in Mißverständnisse geraten, die uns mehr
störten als förderten. Aber ganz außerordentlich freue ich mich,
wenn aus unserem Projekt etwas wird und wir im nächsten
Monat mal 8 Tage ganz zusammen sein können. Da bin ich
ganz Deiner Ansicht, daß wir so etwas brauchen.

Nach Holland mit zu gehen, ist mir freilich für die kurze Zeit
zu weit. Ich mache deshalb folgenden Vorschlag. Am 14. Juli
abends kann ich hier abfahren und Dich in Leipzig abholen.
Wir fahren dann zusammen weiter bis Fulda und gehen

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von dort für 8 Tage in die Rhön. Dann trennen wir
uns etwa am 22. wieder. Du hast dann schon ein gutes
Stück der Reise nach Holland hinter Dir, wohin Du von dort
über Cassel gut fahren kannst, ich kehre dann um und
treffe mich mit meiner Frau nach einer langen Trennung bei
meiner Schwester auf dem Lande wieder.

Wenn es sich so einrichtet, was ich bestimmt hoffe, so
werden wir ganz sicher wieder völlige Klarheit
in unser gegenseitiges Verhältnis bringen, die wir
beide sicherlich wünschen. Die Gründe, warum durch Dein
letztes Hiersein der Wunsch bei uns beiden so beson-
ders lebhaft geworden ist, wollen wir deshalb auch ein-
mal vorläufig uns gar nicht klar zu machen suchen.
Das kommt dann von selbst. Nur das eine

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ist {mir} doch wahrscheinlich, daß dabei die Gegenwart Hettner(1)s
eine große Rolle gespielt hat, zudem wohl auch ein ge-
wisser Geruch nach Bourgeoisie, der Dich in meiner Woh-
nung gestört haben mag. Es ist aber sicher viel besser, wenn
wir das alles lassen, wie es ist, bis wir einmal ein
paar Tage in großer Ruhe und Freundschaft vollkommen
bei einander sind. Ich rechne da bestimmt auf Dein Einver-
ständnis.

Ich komme noch einmal auf Richter(2) zurück. War er bei Dir?
Und ist Dir denn auch ein späterer Monat recht? Welcher
ist der äußerste? Welche Maße haben die 2 Bilder, die Du schicken
willst? Ich werde ihn, wenn ich die bestimmten Anwei-
sungen von Dir habe, noch einmal bearbeiten. Sei sicher,
daß er nicht das Gefühl haben soll, Du läufst ihm nach.

Deiner Frau die herzlichsten Grüße. Meine ist seit 2 Wochen
leider noch zur Kur in einem Bad. In treuer Freundschaft H.S.

Anmerkungen

  1. Hettner, (Hermann) Otto (27.1.1875, Dresden – 19.4.1931, ebd.), Maler und Bildhauer

    http://d-nb.info/gnd/116779276
  2. Kunstsalon Emil Richter, Dresden, gegr. 1848