Inhaltsangabe
Ausführlicher Bericht über seinen künstlerischen Werdegang. Erinnerungen an die Zeit in Kolbes Münchner Atelier in der Theresienstraße.
Transkription
Merano, Italien, 2-II-31 
maia alta 
Castello Rubein
Herrn Professor Georg Kolbe 
Berlin.
Mein sehr verehrter 
Herr Kolbe! 
Darf sich Ihnen einer Ihrer 
ehemaligen Bekannten der Münchener 
Academie-Zeit im Briefe vorstellen u. 
in Erinnerung bringen, Sie begrüssen? 
Ich traf vor Langem zufällig 
einen anderen Bekannten dieser Zeit, 
gelegentlich einer Feierlichkeit: Max 
Colombo(1); wir unterhielten {uns} vom 
Einst der Collegen, und wie man ganz 
voneinander kam, durch das Leben, 
nichts voneinander weiss. Nur mit 
Einem stünde er aber in einigem Zu-
samenhang: mit Georg Kolbe. 
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Ich sagte ihm, solches wohl auch zu 
wünschen, worauf Herr Max meinte, 
dass Sie sich sicher freuen würden, wenn 
ich Ihnen einmal schreiben würde. 
Inzwischen ist wieder geraume 
Zeit vergangen, von München fern 
weilend, und heute endlich ist nun 
ein ruhiger strahlender warmer 
Tag da, der mich an Sie zu schreiben 
hiess. Mehr denn drei Jahrzehnte 
sind über uns gegangen, seit jenen 
Abenden in Ihrem Atelier in der There-
sienstrasse! Wie gerne würde ich 
Auge in Augen einmal Sie wieder 
grüssen! – Was war ich damals 
weltfremd, ein weicher Träumer, 
ein verwirrter Menschenanfang! 
Und weiterhin fast hoffnungslos lang 
das Kampffeld {von} zweien allzu gegensätz-
lichen Erbmassen. Sie dagegen bei 
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stärkerer Gährung ein schon vom Geiste 
berührter Mensch. Der Geist der es in 
strenger steiler Aufwärtsbahn mit Ihren 
wagen konnte, führte u. schützte Sie 
sicher durch grösste Werknöte hindurch 
hin zur Schwelle des Sichfindens in 
erster Reife. Und er ist mit Ihnen, der 
schöpferische Geist in allem Werk. 
Diese Zeit vom Studio in der Theresienstr. 
in München bis zur Vollendung im 
Sichfinden in der Plastik, im reifen 
ersten Werk, die möchte ich schauen 
können! – Ich war dankerfüllt 
je u. je u. tief erfreut von Ihren Pla-
stiken u. verneige mich gerne vor 
der aus Ihnen hervorbrechenden pracht-
vollen Schöpferkraft.
Was wäre etwa von meiner Entfaltung 
zu sagen? Doch nur, dass mein Wesent-
lichstes erst zu erwarten ist, latent 
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steckt es in mir – Gefesseltem.
Über den Lebenslauf Einiges in Kürze;
Von der Academie hiess es plötzlich 
weg, um augenblicklich das tägliche 
Brot zu verdienen. Mit was? Mit allem. 
Es gieng dann ins Kunstgewerbe, ins 
Arbeiten für kichl. u. profane Glas-
malerei, Mosaik; malte in Kirchen 
u. für Theater. Allzufrüh liess 
ich mich in eine Heirat hinein-
treiben – dem Unglück meines Le-
bens. In der Langeweile u. Einsam-
keit trieb es mich hinaus in die 
Landschaft, meine Arbeit draussen 
hatte auch Erfolg. – Die innere Un-
möglichkeit der Ehe liess mich schliess-
lich dieses Band brechen. Bittere Jahre 
der Sehnsucht nach den verlorenen 
Kindern galts zu durchleben. Ich 
war selten in München, lange 
Zeiträume in Rom; in Südtirol.
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Dann kam der Krieg, bald hiess es auch 
einzurücken u. nach dessen Ende wieder 
von Neuem anzufangen. Die österr. u. deut-
sche Inflation leerte meine Werkstatt aus – 
Gegenwert blieb keiner. – In den letz-
ten zehn Jahren war ich viel in Süd-
tirol, auch wiederholt an der Riviera. 
Drei Freunde hatte ich in Tirol, sie gien-
gen dahin, von wannen man nicht 
wiederkehrt. – Vor 2 1/2 Jahren heiratete 
ich wieder; diesmal eine Landsmännin. 
Ob Sie mich als Maler kennen, lieber 
Herr Kolbe? Kaum. Seit 10 Jahren 
stelle ich bei der Münchener Neuen 
Secession aus; dann bin ich Mitglied 
vom Deutschen Künstler-Bund. 
Seit einem guten Jahre malte ich 
wesentlich vor der Natur mit Wasser-
farben. Ausser der Landschaft interes-
siert mich besonders das Tier, beson-
ders das Exotische. Das lag im Erbgut. 
Die menschlichsten Tätigkeiten in 
Frucht- u. Weingärten, auf dem Fel-
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de, Wasser, liebe ich sehr.
Reprod Reproduktionen meiner 
Arbeiten gabs selten! Einmal weil ich 
in München von den dortigen Fotogra-
phen immer fast schlecht bedient 
wurde, andererseits weil mich das 
Experimentieren der Lichtbildner zu 
teuer kam. Ich bin vielerorts aufge-
fordert worden, für Clichierung 
reife Abzüge zu stellen, also wird 
sich's bald bessern. 
Gerade habe ich bei Kunsthändler Victor 
Hartberg(2) angefragt, ob ich dort im 
Frühling eine Collektion Aquarelle 
ausstellen kann; gern möcht ich's 
mit Berlin versuchen. 
Gelegentlich werde ich nach München 
müssen, die im dortigen Atelier so lang 
auf mich wartender Ölbilder weiter zu 
bilden. ––
Damit empfehle ich mich von Neuem; 
sehr sehr wird es mich freuen, von 
Ihnen zu hören. x
Mit herzlichen Grüssen 
Ihr ergebener 
Hans Weber-Tyrol
[Einfügung linker Rand, senkrecht]
x Haben Sie die Gürte, den Empfang mittels Karte zu 
bestätigen.
 
                     
                     
                     
                     
                    