Transkription

31.VII.28.

Lieber Herr Kolbe,

Sie glauben ja gar nicht wie
sehr ich mich über Ihren Brief
gefreut haben. Und nun bauen
Sie sich Ihr eigenes Atelier,
dann werden Sie garnicht
mehr herauskommen. Ich
möchte Ihnen diesen blauen
Himmel und die heisse Sonne
mitbringen. Ich finde ja die
Farben, Pflanzen, Bäume und
Blumen sehr viel schöner hier
als in Italien. Vorgestern
war ich in Marseille, habe
es am Tag und in der Nacht ge-
sehen. Das Hafenviertel ist un-
beschreiblich, so etwas Verkommenes
und Verdorbenes habe ich nicht
für möglich gehalten. Kennen
Sie Marseille? Ich hatte viel
davon gehört, aber was ich

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sah, hat alles übertroffen. Ich
erzähle Ihnen davon einmal
mündlich. Dieses kleine Rayol
liegt so versteckt, kein Mensch
findet es, aber man kann die
schönsten Autofahrten nach Nizza,
Monte Carlo u.s.w. machen, immer
am Meer entlang. Durch Zufall
sah ich auf der Fahrt nach Marseille
eine Stadt, die hoch auf einem
Berg hinauf gebaut wurde
500 Jahre v. Chr. Die Menschen dort
sind ganz seltsam + uns
ganz fremd. Ich war einige
Stunden dort, auch davon erzähle
ich Ihnen in Berlin.

Herzlichst
Ihre Palucca

Seite 3 (Briefumschlag)

Palucca Le Rayol
Bellevue (Var)
France