Transkription

Hierlshagen 27.X 44

Liebe beste Julia, wie gut, dass
heute endlich Ihr Bericht der Rück-
reise und des Eintreffens zu Hause
hier eintraf. Ich sorgte mich be-
greiflicherweise sehr und bin nun
dankbar, dass abermals eine schützen-
de Hand über Ihnen und der
Schwester waltete. Wie traurig ist
aber alles, was Sie berichten! Wollen
Sie nicht doch irgendwo in der
Nähe auf ein Dorf gehen? Wenn
doch der Kauf des Wochenendhauses
zustande käme! Welch ein Leben
müssen Sie jetzt ertragen!

Ihr Besuch lebt noch in jeder kleins-
ten Phase in mir weiter – Es war
eine kleine Heldenleistung, die Sie
vollbrachten, und ich bin ebenso stolz
wie aber auch beschämt darüber.

Gute liebe Julia!
Ich glaube fest an ein Wiedersehn,
weil ich garnicht anders kann.

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Gott gebe nur, dass wir inzwischen
das seelische Gleichgewicht nicht
verlieren – denn es wird noch Vieles
auszuhalten geben.

Gestern war hier ein schöner wolken-
freier Himmel, und da sind wir
noch einmal dem Pilzfieber verfallen.
Frl. Schwartzkopff(1) führte mich an
die Stellen, wo sie mit Ihnen war,
wo Sie die Pfifferlinge gefunden
hatten. Heute weht eisiger Wind
und der Himmel ist grau.

Julia, es war so über die Maaßen
lieb, dass Sie zu mir kamen – nie
werde ich das vergessen, wie Sie mich
überraschten, vor der Hütte auf der
Bank wartend. Heute scheint mir
alles wie ein Märchen, und so
mancher Zauber liegt über mancher
Stelle und so vielen Erinnerungen.
Haben Sie besten Dank
für Ihre so grosse gute Freundschaft!

Und halten Sie sie weiter
Ihrem alten getreuen Meister Georg –

Anmerkungen

  1. Schwartzkopff, Margrit (20.7.1903, Groß-Lichterfelde (heute Berlin) – 7.7.1969, Berlin), Fotografin. Margrit Schwartzkopff war die langjährige Fotografin von Georg Kolbe, später auch dessen Sekretärin und Nachlassverwalterin.

    http://d-nb.info/gnd/1155421825