Transkription

B-W. Regentenstr. 20

7. Jan. 07

Lieber Freund,

ich will Dir den heutigen Brief
gleich beantworten, da es mich
beunruhigt, wie Du von mir inzwischen
denkst. Die Wahrheit, ich habe mich
wohl ein wenig „geärgert“, wie Du
so etwas nennst, aber erst, nachdem
ich noch immer, und immer
wieder, keine Antwort auf meine
Zeichnung von Dir erhielt. Du solltest
sie ganz gewiss nicht loben, aber
Deine Ansicht darüber durfte ich
doch wissen. Anstatt dessen kamen
von Deiner Schwester 150 Mk –
allerdings folgte ja dann auch
ein Brief. Und siehst Du, eben diese

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Zwischenzeit von der Absendung
der Zeichnung bis zum Eintreffen
des Briefes aus Schlabendorf
war mir etwas peinlich zumute.
Aber keineswegs, lieber Freund,
konnte von einer Missstimmung
die Rede sein, als ich die Sendung
an Dich aufgab. Warum denn auch.
Sehr freute mich, dass Du mich wegen
des ex libris frugst und fand
das sehr natürlich; ich that auch,
was ich vermochte – nur die grosse
Unzufriedenheit mit mir musst
Du nachsehen; ich bin kein geübter
Zeichner und fand meine Leistung
recht mässig. Sollte davon zuviel
in den Begleitbrief gerutscht sein?
Es war gewiss nicht meine Absicht. –

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Also die Zeichnung ist inzwischen
acceptirt, und jetzt wollen wir sie
nicht mehr kritisieren. Ich freue mich
gewiss darüber, dass sie angenommen
wurde. Deine Schwester hat es leider
nicht geschickt angefangen, mich zu
treffen, und die Zeichnung wäre auch
gewiss schon in Reproduktion. Beim
zweiten Besuch trat nun unglücklicher-
weise auch noch ein Unwohlsein
in den Weg, sodass Nora(1) die einzige
Vertretung unserer Familie Deiner
Schwester gegenüber war. –

Eigentlich wollte ich die Zeichnung wieder
an Euch senden, erstens weil kein
Brief von Dir kam, aber besonders
auch, weil ich hier keinerlei Verbindung
mit Reproduktionsanstalten habe.

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Selbstredend würde sich aber doch eine
solche finden lassen, und wenn Du
willst, werde ich es gern übernehmen.
Aber noch einfacher dünkt mich, wenn
Du mit der Zeichnung zu Hoffmann(2) auf
der Blasewitzerstr. seligen Angedenkens
gehst. Ich schlage vor, dass sie photographisch
auf einen Stein in Verkleinerung über-
tragen wird, sodass lithographisch ver-
vielfältigt wird. Die Grösse weisst Du ja, sie
richtet sich nach den Büchern Deines
Schwagers und auch nach der technischen
Möglichkeit, welche der Drucker am besten
versteht. Ich muss vorausschicken, dass ich
das Verfahren selbst nicht kenne, es hat
sich aber bei einer Greiner(3)schen Zeichnung
in Rom sehr gut bewährt. Zinkätzung wäre
das Gegebene, aber doch nicht so gut. Schreibe
mir bitte sofort kurze Antwort hierauf. Sei
meiner freundlichsten Stimmung versichert
und lasse Dich mit Frau und Kind herzlichst
von uns grüssen. Immer Dein Kolbe.

NB. Möglich, dass ich im Febr. bei Gutbier(4) ausstelle,
würde gute Gelegenheit eines Besuches bei Euch geben.

Anmerkungen

  1. Nora von Schrenck, eine jüngere Schwester von Edith von Schrenck

  2. Kunstanstalt Wilhelm Hoffmann, Dresden. Dort wurde der Faust-Zyklus gedruckt.

    http://d-nb.info/gnd/104727213X
  3. Greiner, Otto (16.12.1868, Leipzig – 24.9.1916, München), Maler, Grafiker

    http://d-nb.info/gnd/118718762
  4. Gutbier, Ludwig Wilhelm  ( 25.10. 1873,  Dresden – 18.3.1951, Rottach-Egern), Kunsthändler. Inhaber der 1818 gegründeten Galerie Arnold in Dresden

    http://d-nb.info/gnd/116931426