Transkription

Ehrenhof b. Viechtach
am 30./VI. 98.

Lieber Graf!

Daß sich doch unsere Nachrichten
immer kreuzen müssen;
ich wünsche lebhaft, daß meine
je[t]ztigen Zeilen Sie auf
Schloß Seyfriedsberg erreichen.
Es freut mich doch recht herzlich,
daß ich jetzt auf Ihr Kommen
hoffen darf. Bitte, ermöglichen
Sie es ja. In einem Tage
läßt es sich sehr leicht machen,
allerdings ist es nötig, daß
Sie morgens 5,10 v. Passau
wegfahren können, dann
sind Sie 6,08 in Plattling und

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8.41 in Viechtach. Da haben
wir Zeit bis 2,20 (wo wir
zur Mühle gehen). 7,36 erreichen
Sie dann Regensburg und
erreichen famos den Berliner
Schnellzug (5,55 ab Münch., 8,22
ab Regensb.).

Was Sie bei mir sehen werden,
haben Sie ja schon in meinem
letzten Brief gelesen. Ich strenge
mich jetzt ganz besonders an,
damit die 3 genannten Bilder
bis zum Tage Ihres Besuchs
möglichst fertig gestellt sind.
Aber versprechen Sie sich nicht
zuviel, damit Sie Ihren Umweg
dann nicht zu bereuen haben.
Das weiß ich aber bestimmt, daß
selten Einer in so kurzer Zeit
so viel und so ernst gearbeitet

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hat, als ich es jetzt that. Und finde
ich Ihre liebe Anerkennung,
so giebt mir das noch mehr
Mut und ich ba will bald
unglaublich viel schaffen. Es
ist ja sehr schwer, wenn man
sich selbst immer Mut einreden
muß. Zumal ich weiß, daß
das Publikum die Augen ob des
seltsamen Zeugs aufreißen
wird.

Für Ihre Mühen wegen eines
Stipendium’s haben Sie meinen
herzlichsten Dank, besonders auch
danke ich Ihrem hochgeehrten
Herrn Vater(1)
. Es ist mir un-
angenehm, daß Sie meine
Bitte so auffaßten und sich
sogleich bemühten. Ich erwähnte
nur diese Sache, damit Sie wüßten,

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daß ich es nicht wie früher ver-
neinen würde, wenn sich mir
die Gelegenheit eines Stipendiums
böte. Selbst{ver}ständlich, je eher
je willkommener wäre
es. Was glauben Sie, meine
drei unansehnlichen Bilder kosten
jetzt schon an Material unge-
fähr 100 Mark und da
arbeite ich erst 6 Wochen; Wo soll
das hinführen? An Rahmen kann
ich ja keineswegs denken
im Falle einer Ausstellung.
Dabei ist das alles noch Spaß im
Vergleich zu kommenden Jahren.
Da gedenke ich noch anderes zu schaffen,
doch das stört mich jetzt nicht, gearbeitet
muß werden, sonst bin ich krank.
Also bitte, lieber Graf, kommen
Sie und geben Sie nochmals
Nachricht Ihrem sich herzlich
freuenden
Kolbe

Anmerkungen

  1. Harrach, Ferdinand Graf von (27.2.1832, Rosnochau – 13.2.1915, Berlin), Landschafts-, Historien- und Porträtmaler; Vater von Hans Albrecht Graf von Harrach, Bildhauer (11.2.1873, Florenz – 22.10.1963, Hohenried)

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