Transkription

(Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

Hierlshagen
15.II 44

Liebe verehrte Frau Heimhold,

mit dem Leben bin ich davon ge-
kommen, aber sonst ist der Scha-
den gross – Eine Sprengbombe oder
wohl richtiger eine Mine schlug
4 mtr Entf. vom Grundstück ein –
und riss mein armes Haus auf.
Ich musste es als Ruine zurück-
lassen. Die Verwüstung war unbe-
schreiblich. Das ganze Haus ist nun

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noch immer ringsum offen und
ohne Die Atelierhälfte ohne Dach
also ohne jeden Schutz vor Regen u.
Sturm. Und wie lange wird das
noch so bleiben?

Ich bin hier als Gast vom RAF.
Hierl(1)
ländlich freundlich ein-
quartiert(2)
– ohne innere Ruhe – ohne
jede Tätigkeit mit immer trüber
werdenden Augen ist das aber kein
Leben. – Möchten Sie Ihre Wohnung
behalten! Viele herzliche Grüsse
und gute Erholungswünsche

Ihr Georg Kolbe

Anmerkungen

  1. Hierl, Konstantin (24.2.1875, Parsberg – 23.9.1955, Heidelberg), Offizier, nationalsozialistischer Politiker, Mitglied des Reichstags seit 1930 (NSDAP), Beauftragter für den Arbeitsdienst, 1933 Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium. 1934 wurde er zum Reichskommissar für den Reichsarbeitsdienst (RAD) im Range eines Staatssekretärs im Reichsinnenministerium ernannt, 1935 bekam er den Titel „Reichsarbeitsführer“ (RAF).

  2. Georg Kolbe und seine Fotografin und Sekretärin Margrit Schwartzkopff waren vom 24.12.1943 bis Ende Januar 1945 auf Einladung Konstantin Hierls in Hierlshagen, heute Ostaszów, Niederschlesien, evakuiert, das 1936 von Arbeitern des Reichsarbeitsdienstes als Modelldorf errichtet und nach Konstantin Hierl benannt.