Transkription

13. XII 25

Lieber Swarzenski,

indem ich obiges Datum schreibe, fällt mir
ein, dass wir vor 12 Jahren unser Heinefest(1)
begingen. O Gott, welche Zeitspanne – und wie
wenig kam ich vorwärts –
Damals tranken wir französischen Sekt, heute
habe ich noch nicht einmal Henkell! Aber
auf den hoffe ich doch bestimmt, indem ich
einen freundlichen Brief aus Wiesbaden erhielt,
der mich bis nach der Ägyptenreise vertröstet.
Und ich weiß, dass Du auch noch da sein wirst,
um das Gedächtnis zu stärken.
Für Dich freue ich mich sehr, dass Dir diese
wunderbare Reise bevorsteht. Ich ginge lieber noch
mal nach Ägypten, als daß es mich nach Indien
etc. zöge. Und wenn ich das könnte, ginge ich
soweit südlich als möglich, sicher bis Omdurmän.
Allerdings schwärme ich für die dortigen Negerstämme.
Ich war aber nur bis Assuan – also nicht einmal
Wadi Halfa, Abu Simbel. Und sicher würde ich mir
wieder eine mehrtägige Wüstentour zu Kamel
(ab Assuan) leisten, denn die war unbeschreiblich.
Aber die vielgepriesene Nilfahrt auf der Dahabie (Dahabijen)
würde ich mir wiederum schenken. — So, das wären
meine Ratschläge. Du wirst staunen!

Aber nun bin ich doch sehr traurig, dass Du überhaupt
von Frankfurt weg gehst, weil ich ausgerechnet
dort im Kunstverein meine Ausstellung vom 26.II
bis 18.III habe. Eben in der Zeit, wo Du fort bist. Und
ohne Dich u. Deine Anwesenheit ist das Unternehmen
zu 3/4 zwecklos. Du begreifst, ich bin sehr traurig.

Mit herzlichen Grüßen immer Dein Kolbe

[Einfügung li. Seitenrand, senkrecht]
Fast möchte ich versuchen, die
Ausstellung zu verlegen – wann kommst
Du wieder? Willst Du mal mit
dem Herrn Marcus(2) telefonieren? vielleicht
kann er den Termin mit Kassel tauschen(3).

Anmerkungen

  1. zur Einweihung des Heine-Denkmals von Georg Kolbe in Frankfurt, 1913

  2. vermutlich verantwortlicher Mitarbeiter des Kunstvereins Frankfurt

  3. Die Termine konnten tatsächlich getauscht werden. Ausstellung im Kunstverein Kassel: 21.2. – 15.3.1926; Ausstellung im Frankfurter Kunstverein: 21.3. – 11.4.1926