Transkription

Geehrter Herr Kolbe!

Ihren Brief vom 15.5. habe ich in
Händen und ersehe aus demselben
ganz deutlich, wie es um die Fertig-
stellung der Brunnenfigur(1) steht. Ich
wundere mich auch keineswegs, daß
Sie dafür noch 3 Monate brauchen
werden, nachdem ich bei meinem Sohne
in Florenz mir habe den ganzen Ver-
laufes eines Bronzegusses und der
viel Zeit raubenden Ziselierungsar-
beit beschreiben lassen. Da ich voraus-
setze, daß Sie die Ziselierarbeit mit

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eigener Hand zu machen gedenken,
so will ich Sie in keiner Weise drängen
und das um so weniger, als wir wohl
schwerlich in diesem Jahre nach Tiefhart-
mannsdorf kommen werden, weil die
Hochzeit meiner Tochter Leonore in der
Schweiz gefeiert werden soll, wo wir
dann bis zum Spätherbst zu bleiben
beabsichtigen. Was aber das Aufstellen
der Figur anlangt, so wird es wohl gut
sein, es nicht bis zur Zeit des Frostes
aufzuschieben, weil dann Wasserarbeit
sehr erschwert ist. Die Röhrleitung
zum Brunnen existiert, könnte höchstens
noch verstärkt werden, wozu, wie ich
glaube, der Wasserzufluß ausreicht.

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Der obere Block wird ein compliziertes
Stück Steinmetzarbeit werden müssen,
denn, um die geringste {Reparatur} Arbeit an
dem Röhrensystem zu machen, was
sicherlich vorkommt, müßte, nach der
von Ihnen angegebenen einfachen
Aushöhlung von unten, die Figur sammt
dem Block abgenommen werden, was
für dieselbe immer lebensgefährlich
wäre. Ich mache Ihnen daher folgenden
Vorschlag, den der Steinmetz natür-
lich begutachten müßte: Es möchten
außer der von Ihnen angegebenen
Höhlung noch fünf reichlich faustdicke
Durchbohrungen* des Steines gemacht
werden, von denen 4 von der Höhlung

* so, daß ein Arbeiter leicht mit Hand
und Arm hineingreifen und darin
arbeiten kann,

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nach den Mäulern der Wasserspeier
gehen müßten, während die fünfte
Durchbohrung von der Höhlung senkrecht
nach oben ginge und unter der Bronze-
xxxxxxFigur ausmündete. Die Masken
und die Figur würden die Mündungen
dieser Durchbohrungen reichlich zu ver-
decken vermögen. Ich halte diese Durch-
bohrungen für nöthig, weil bei einer
Reparatur keine Menschenhand nach
dem Röhrensystem kommen könnte,
auch schon bei der ersten Aufstellung
das Einführen der Röhren in den Mund
der 4 Masken ohne eine Menschenhand,
die von oben hineingreift, unmöglich
erscheint, weil das zuletzt verbundene
Maul jeden Widerhaltes entbehren
würde. Auch der untere Block sollte
der Hauptröhre etwas Spielraum
geben,

[Einfügung linker Rand senkrecht]
was das Arbeiten für einen Mechaniker sehr erleichtert. An die Möglichkeit,
das ganze Röhrensystem vor dem Froste gänzlich wasserleer zu machen, ist
schon bei der alten Figur gedacht worden, ich denke also, daß es auch der neuen
wird angepaßt werden können. Ich bitte Sie, wegen meiner Skrupel noch

[Einfügung aus Seite 3, linker Rand senkrecht]
einmal den Steinmetz zu sprechen, dem wohl schon mehrfach solche Aufgaben
vorgekommen sein mögen, vielleicht gibt es eine einfachere und solidere Lösung
der Frage, was mir sehr viel angemessener und billiger sein würde. Ich habe Ihre
Zeichnung benützt, welches Ihnen hoffentlich verständlich sein wird.

[Einfügung aus Seite 2, linker Rand senkrecht]
Mit herzlichem Gruße

Ihr
sehr ergebener
F Graf Harrach

Berlin
17.5.1903.

[Einfügung aus Seite 1, linker Rand senkrecht]
P.S. Da ich voraussehe, daß Sie die Aufstellung der Figur etc. in eigener
Person werden leiten wollen, so bitte ich Sie, darüber u. über die technischen Sachen
gelegentlich um Benachrichtigung. FGH.

Anmerkungen

  1. Werk Georg Kolbes, Badende (Brunnenfigur für Ferdinand Graf Harrach), 1902, s. Hermann Schmitt: Georg Kolbe, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, Januar 1904, S. 81 f., Abb. S. 82