Transkription

Lieber Herr Kolbe!

Verzeihen Sie, daß ich Ihnen erst heute auf
Ihren Brief mit den uns natürlich außeror-
dentlich interessierenden Wiedergaben der
Brunnenfigur(1) antworte, es lag mir aber
auch daran, von meinem Sohne zu hören, wie
Sie sich meinem Sohne gegenüber aussprechen
würden, worüber er mir gestern berichtete.

Die Figur ist, meiner unplastischen Ansicht nach,
ein großer Fortschritt, den Sie gemacht haben,
da Sie damit zeigen, daß Sie bei glücklichem
und gründlichem Modellstudium die poetische
Aufgabe festzuhalten vermochten. Da an
der Figur selbst wohl Nichts mehr zu ändern
ist, so lasse ich mich auf keine Äußerungen
von Meinungen und Wünschen meinerseits
ein, da jede Kleinigkeit selbstverständlich große
Veränderungen nach sich zu ziehen drohte.

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Ich möchte Sie daher nur bitten, mir womöglich
noch vor der Inangriffnahme des Bronzegusses des
Sockels eine kleine Photographie des Froschprinzen
und der Stelle des Sockels, wo er stehen soll, zu
senden, da ich nach den Bildern nicht zu erkennen
vermag, wo er Platz finden könnte, weil, wie ich
voraussetze, dies märchenhafte Wesen die natürliche
Größe bedeutend überschreiten zu sollen bestimmt
sein dürfte. Trotzdem möchte ich den Beginn des
Bronzegusses der Figur, da dies nicht ohne Gefahr
aufgeschoben werden kann, in keiner Weise ver-
zögern und bitte Sie daher, dies nach eigener Beur-
theilung zu beginnen. Sollte die Photographierung
des Froschprinzen irgendwelche Verzögerung mit
sich führen, so will ich auch darauf verzichten, wenn
auch ungern. Sollten Sie für die Vornahme des
Gusses eines Geldvorschusses bedürfen, so bitte ich,
mich davon hierher zu benachrichtigen.

Mit dem Wunsche, daß Ihnen Guß und Ziselier-
arbeit gut von Statten gehen, grüßt Sie herzlich

Ihr
ergebener
F Graf Harrach

Florenz
Hotel Albion
26.4.1903.

Anmerkungen

  1. Werk Georg Kolbes, Badende (Brunnenfigur für Ferdinand Graf Harrach), 1902, s. Hermann Schmitt: Georg Kolbe, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, Januar 1904, S. 81 f., Abb. S. 82