Transkription

(Ernst Plattner/Architekt/Mannheim)

22.IX.22.

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich komme von meinem leider verspäteten
Sommerurlaub zurück und finde unter dem
Berg schriftlicher Ansammlungen Ihr herrliches
Werk(1)
. Ich danke Ihnen aus vollem Herzen da-
für; es war mir ein freudiger Beweis, dass Sie
mich noch nicht vergessen haben und dass Sie
meine Begeisterung für Ihre große Kunst
fühlten.

Form und Inhalt des kostbaren Buches sind
reiner Genuss. Es ist eine besondere Freude für
mich, Ihre Werke gesammelt vor Augen zu
haben, insbesondere da ich jetzt eine Reihe
im Original kenne. Ich bedaure nur, dass
das Heidelberger Grabmal(2) nicht im Bild
vertreten ist. Die Schuld trifft wohl mich,
da ich ja versprochen hatte, eine Aufnahme

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Zu veranlassen. Sie kennen aber die Schwierigkeiten
der Zeit, die Fülle neuer Aufträge hat mir jede
freie Minute geraubt. Ich hoffe mich bald im
Sinne Ihrer liebenswürdigen Widmung revan-
chieren zu können.

Ich habe den heutigen Sonntag damit gefeiert,
in Gemeinschaft mit meinem Freund Hartlaub(3)
Ihre Werke zu studieren und die interessante
Entwicklung zu verfolgen. Welches ist das
schönste Blatt? Hartlaub gibt der „Klage(4)
den ersten Preis, meine Frau der „Assunta(5)“,
ich selbst dem „Neger(6)“, der so prachtvoll
in seine Umgebung hineincomponiert ist.

Wenn es uns gelingen sollte, noch mehr Ihrer
Werke nach Süddeutschland zu bringen, wäre
das mein Wunsch. Es liegt zur Zeit ein Auftrag
für ein größeres Grabmal vor. Der Besteller
inkliniert zunächst zu seiner Architek-
tur. Eine figurale Darstellung wäre aber
vielleicht nicht ausgeschlossen, würde sie in
überzeugender (wenn auch noch so flüchtiger)
Form vorgelegt. Mir schiene eine figurale
Darstellung erwünscht, da der Platz nur
4 mtr Breite b. 5 mtr. Tiefe hat. Die Situation

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II

ist folgende:

[Skizze der Gräbersituation mit Untertitelung:]

Vorhandene Nachbarschaft, 4x5, frei

Die vorhandenen Nachbargräber (links) brachten
mich auf den Gedanken, das Vasen-Grabmal als
Mittel xxx zu betrachten und das neu zu schaf-
fende quasi als Pendant {zum ersten} zu behandeln.

Hätten Sie Zeit und Lust, sich mit der Idee zu
beschäftigen, so würde[ich] für eine Anregung sehr
dankbar sein und diese mit allen mir zur
Gebote stehenden Mitteln beim Besteller ver-
treten. Leider eilt der Auftrag sehr, vielleicht
höre ich von Ihnen!

Dankbar und herzlich
grüße ich Sie als Ihr sehr
ergebener
Ernst Plattner.

Anmerkungen

  1. Wilhelm R. Valentiner: Georg Kolbe. Plastik und Zeichnung. Kurt Wolff, München 1922

    http://d-nb.info/361798733
  2. Werk Georg Kolbes, Grabdenkmal für Hedwig Marx-Kirsch, 1920/21, Heidelberger Bergfriedhof.

  3. Hartlaub, Gustav Friedrich (13.3.1884, Bremen – 30.4.1963, Heidelberg), Kunsthistoriker, von 1923 – 1933 Direktor der Kunsthalle Mannheim.

    http://d-nb.info/gnd/116491051
  4. Werk Georg Kolbes, "Klage", 1921

  5. Werk Georg Kolbes, "Assunta", 1919/1921

  6. Werk Georg Kolbes, Statue eines Somali, 1912