Transkription

10.12.21.

Ich hänge noch an unserer Unter-
redung, bemüht klarzustellen,
also objektiv, so gut ich's kann.
Wörtlich sollte meine Kritik lauten:
der Kopf vollendet nicht den
von unten aufsteigenden
Rythmus, {dieser} er versinkt an der
bezeichneten Stelle –
(nicht aber weil dort der Muskel
fehlt.)

Von dieser Ebene aus kann
ich mir gut von Ihnen sagen
lassen, daß ich nichts verstehe,
daß es für Sie so sein muß,
also der Kopf richtig sitzt.

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Ich bin auch nicht unglück-
lich darüber, daß mich an
Ihrer einen Figur einmal
das Knie oder Bein gestört
hat und ich heute nur noch
das Ganze sehe, das etwas
geradezu Beseligendes für mich
hatte. Wissen können wir
wenig. Müssen wir innerlich
nicht immer locker bleiben,
nicht starr werden, so daß
immer neue Lichtstrahlen
aufgehen können.
Früher legte ich den „Ekkehard(1)
weg, heut ist er mir eine tiefe

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Quelle des Menschlich-Schönen.

Ich bin durch Verhängnis und
Veranlagung fast stumm
aufgewachsen, liebte leiden-
schaftlich das Alleinsein, daher
der Ausdrucksmangel.
Doch hätte ich kürzlich mehr
Grazie bewiesen, wenn
ich nicht Tage vorher sehr traurig
und mutlos gewesen wäre.

Die Frau glaubt, d. h. setzt
voraus, der Mann will
zweifeln, um zu wissen.
Ich hätte von Ihnen einfach
nicht geglaubt, daß Sie

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mir einen fehlenden Hals-
muskel kritisieren, wo es
sich um das Ganze handelt,
selbst wenn Sie es fast wörtlich
gesagt hätten
Diese Garantien sind notwendig,
denn sie sind die tragenden
Säulen des Gebäudes, das als
der Andere in einem lebt.

Der mitschwingende Ton,
gleich ob der Andere {die Quelle} davon
weiß oder nicht, wenn
er nur ist, das ist das
Reinste und Beste, was wir
haben können.

Ihre Bertel.

Anmerkungen

  1. Joseph Victor von Scheffel: Ekkehard. Eine Geschichte aus dem 10.Jahrhundert. Erschienen 1855 in der Verlagsanstalt Meidinger, Frankfurt a. M.