Transkription

den 4. Juni 21.

Mein Ausspruch, daß ich ein Stück von
Ihnen bin, kam Ihnen im ersten Moment
als ziemlich kühne Behauptung vor.
Ich sagte das, weil mein Ich-Bewußt-
sein {philos.} immer geringer wird und ich
dasselbe vielleicht auch von Ihnen dachte.
Das: „Es denkt in mir“ der alten Inder
ist mir der Schlüssel zu vielen Er-
kenntnissen. Wie käme das kleine
fünfjährige Mädel, dem man kürzlich
auf ihr Fragen sagte, daß Gott alles
gemacht hat, was sie sieht, dazu,
zu fragen: Wenn Gott alles ge-
macht hat, wer hat denn
Gott gemacht, da muß er sich doch
auch selbst gemacht haben?

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Im nächsten Augenblick spielte es wieder
seine kindlichen Spiele.

Wie könnten mir Ihre Werke so
viel sagen, wie könnte ich so viel
von Ihnen wissen, wenn nicht der-
selbe Geist auch durch mich ginge!
Unsere beste Tat ist: die Form rein
zu erhalten.

Auch über das Wort sentimental dachte
ich nach. Ich weiß, daß Sie es in des
Wortes guter Bedeutung meinten.
Gefühl ist Alles. Je stärker und um-
fassender das Gefühl, je mehr Er-
kenntnismöglichkeiten giebt es,
denn letztere sind die Früchte der
Ersteren. Es ist alles rund.

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Tausend neue Poren öffenen sich, durch
die das Licht dringt. Tausendfach stärker
lebt man. Es gilt nur, wach zu bleiben.
Ich will garnichts, als mich dem Gefühl
kräftig genug zu zeigen, nicht ab-
bauen, nur aufbauen.

Zurück kann man nicht; das ist {wäre}
die einzige Sünde – gegen sich selbst,
die nie verziehen wird.

Ihre Bertel Uhlenburg