Transkription
(Berlin W., Regentenstr. 20.)
15 Sept. 1906.
Liebe Freunde,
Ich bin froh, wieder einmal 
Gelegenheit zu finden, Ihnen 
zu schreiben. Wir haben 
uns beide aufrichtig über 
Ihren letzten Brief gefreut, 
und wollen schnell ant-
worten, damit Sie sehen, daß 
auch Ihr Kommen nach 
Berlin uns große Freude 
macht. Selbstredend sind 
wir Anfang October hier, 
und alles wird sehr schön 
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passen, doch wenn es mög-
lich wäre, sollten Sie doch 
wenigstens eine Nacht hier 
in Berlin übernachten. – 
Daß Sie mitkommen werden, 
liebe Frau Schmitt, ist 
sehr schön; ich hoffe sehr, 
daß auch Ihnen es soviel 
Freude macht, daß wir uns 
wiedersehen. – Sie schreiben 
uns wohl, daß es noch nicht 
ganz sicher wäre, daß Sie 
kämen, Sie müssen aber 
unbedingt kommen.
Uns geht es gut; unser
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Leben ist sehr ruhig. Nora(1) 
wächst sehr, ist nun schon 
vollständig eine kleine Person, 
und be- und verurteilt schon 
ganz tüchtig!! Der kleine Justus(2) 
ist jetzt in dem Alter, wo 
Nora festgeschnallt auf ihrem 
Stühlchen wurde wegen all 
zu große Lebhaftigkeit; der 
Justus als kleiner Mann 
wird es wohl noch toller 
treiben! Nora ist noch 
genau so unruhig und 
lebhaft wie früher; ich 
freue mich aber sehr darüber. 
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Für uns beide, Nora und mich, 
war es ganz herrlich in Florenz. 
So gesund die Luft, die Sonne. 
So prachtvoll, jeden Tag, 
jeden Morgen, wo wir hinaus-
liefen, war ein Fest. 
Ende Mai sandten wir Hettner(3)s 
einen langen Brief von 
hier, doch bis heute hörten 
wir von beiden nichts. Sie 
wohl? – 
Die Herbsttage sind jetzt wundervoll. 
Sie werden wohl vollauf dort 
auf dem Lande diese Zeit geniessen.
Grüßen Sie Ihren Justus von 
uns drei beim Wiedersehen 
in Dresden, und schreiben Sie 
uns bald näheres über Ihr 
Kommen. Unsre besten Grüsse 
an Sie beiden 
Benny Kolbe