Transkription

Badenweiler
Baden
24.XI.

Lieber Kolbe

Meine Gedanken waren und sind
so oft bei Ihnen in der Stille
Ihres Ateliers! – leider konnte
ich nicht über Berlin zurück,
hatte einen Autounfall, der mich
zur kürzesten Route nötigte.
Mein Knie gibt mir noch

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sehr zu schaffen. Ich reiße aber
vielleicht bald aus {falls ich kann}, vollend wenn
Schickeles(1) verreisen. Denn dann wäre
ich ganz allein in meinem Walde.

Ich möchte Ihnen heute nur einen
Gruß senden. Die wunderbare
mystische Belebtheit in Ihrem
Atelier ist mir dabei vor
Augen. Aber Worte sind

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ja so plump und unzulänglich,
wohl auch nicht geschaffen, um
an Dinge des Schweigens zu rühren.

Bei Ihnen werden sie sich in
Ihrem Schaffen frei machen
und sprechen! Meine Wünsche
umgeben Sie in herzlichster
Anteilnahme. Stets Ihre
Annette Kolb

Anmerkungen

  1. René Schickele und seine Ehefrau Anna. Mit René Schickele (4.8.1883, Oberehnheim, Elsass – 31.1.1940, Vence, Alpes-Maritimes), Schrifststeller, Publizist und Pazifist, der ab 1923 ihr Nachbar in Badenweiler war, verband A. Kolbe eine lebenslage Freundschaft.

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