Inhaltsangabe
Zum Verkauf von zwei "Kompositionen" durch Fürstin zu Oettingen-Wallerstein. Zu einzelnen Bildern Kolbes und deren farblicher Gestaltung.
Transkription
Ehrenhof b. Viechtach 
am 19.VI. 98. 
Bester Graf!
Ihr langes Schweigen 
läßt mich fürchten, daß 
meine beiden Briefe doch 
vielleicht nicht in Ihre 
Hände gelangt sein könnten, 
obwohl ein solcher Fall sonst 
schwer anzunehmen ist. 
Freilich kann ich mich 
auf diese blöden Bauern 
hier, die die Briefe zur Stadt 
bringen, auch nicht so gut 
verlassen. 
Heute wollte ich Ihnen 
vornehmlich mitteilen, 
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wie die Sendung nach Schloß 
Seyfriedsberg abgelaufen 
ist, wenn Sie das nicht 
schon selbst durch die Fürstin 
zu Oettingen W.(1) [Wallerstein] erfahren 
haben. Meine Arbeiten 
modern jetzt schon längst 
wieder in einer alten Kiste; 
aber wunderschön ist alles 
verlaufen. Ich muß sagen, 
daß ich ganz außerordentliche 
Hochachtung vor der Fürstin 
besitze, eine ausgezeichnete 
Dame muß sie sein, das 
sagen mir die beiden schönen 
Briefe, die sie mir sandte. 
So Ehrendes und Großes ist 
mir noch von Niemandem 
bisher gesagt worden. Auch 
hat die Fürstin 2 Kompositio-
nen 
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gekauft und zwar den „Atlas“ 
und den mit dem Engel 
kämpfenden Jakob. 
Letzteres Blatt wollte sie 
noch einem Neffen ihres 
Gemahls schenken. Daß 
mich die Fürstin bat, sie 
im Winter, wenn ich die 
Gelegenheit hätte, in München 
aufzusuchen, scheint mir sehr 
ruhmvoll und bereitet mir 
viel Freude. Ihnen aber, 
bester Graf, danke ich herzlich 
für das, was Sie dabei gethan 
haben, denn ohne Sie hätte 
ich diese ausgezeichnete Dame 
niemals kennen lernen 
können. 
Die Malerei bildet jetzt 
meine Hauptbeschäftigung. 
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Ich habe vorige Woche mein 
drittes Bild angefangen. 
Das heißt, das erste ist noch 
nicht vollendet, doch muß die 
Farbe erst vollständig trocknen, 
damit ich beobachten kann, 
wie jeder Ton dann aussieht. 
Das letzte Bild ist sehr groß, 
denn es sind zwei lebens-
große Akte darauf. Welch’ eine 
Mühe u. Plage, diese aus dem 
Kopfe zu zeichnen. Doch geht 
es wieder wider Erwarten 
gut, doch immer noch schlecht 
genug. Es macht mir aber 
Freude. Das Gesicht 
von Ihnen möchte ich sehen, 
wenn Sie diese Bilder das erste-
mal erblicken. Ich glaube, 
jeder hat das empfindliche 
Gefühl einer derben Ohrfeige. 
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Solche Farbenharmonien 
wird wohl noch keiner gesehen 
haben, nicht einmal daran 
gedacht, doch wird man 
bald sehen, daß ich eben daran 
gedacht habe. Man wird 
den Geschmack oder den 
Ungeschmack bäurisch 
finden, aber das weiß ich 
gewiß, daß er in 20 Jahren 
für vortrefflich gehalten wird. 
Brutal und herausfordernd 
werden meine Bilder nicht 
wirken, das ist nicht möglich, 
doch seltsam wird es jedem 
vorkommen. Die Natur 
geht mich auf d. Bilde selbst 
furchtbar wenig an, das klingt 
drollig, doch brauche ich Farben 
für meinen Stoff sowie die 
Zeichnung. 
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Das erste Bild „Das Land unseres 
Sehnens“ ist zur Hälfte direkt 
zitronengelb und der Vorder-
grund schmutzig-grün, die 
Akte sind wie die Molche 
kaltgrün. Wie Ihnen 
solche Sachen gefallen werden, 
bin ich allerdings im Zweifel. 
Doch wenn Sie sich Mühe geben, 
werden Sie sich bald daran 
gewöhnen und es zuletzt 
gar nicht so seltsam finden. 
Das zweite kleinste Bild 
ist nur ein Versuch, den ich 
eigentlich malte, um ihn 
Ihnen zur Ansicht zu senden, 
da Sie doch diesen Wunsch hatten. 
Wenn es Ihnen Vergnügen 
macht, sende ich Ihnen das Bild 
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dann nach Bonn, wohin Sie 
ja im August gehen. Bis dahin 
wird es auch gut fertig und 
trocken. Versprechen Sie sich 
aber nicht zuviel davon, das 
Ganze ist sehr einfach und 
harmlos. 
So, nun bitte ich Sie, mir doch 
auch wieder zu schreiben, ich 
wüßte gern, ob meine 
beiden ersten Briefe Sie 
antrafen. 
Mit vorzüglichster 
Hochachtung bin ich 
Ihr 
Gg. Kolbe. 
 
                     
                     
                     
                     
                    