Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

Die Entscheidung der Berliner Kunstdeputation für Georg Kolbes Entwurf für einen Rathenau-Brunnen in den Berliner Rehbergen fiel erst nach mehrfachem Einsenden von Alternativvorschlägen und ihre Demonstration durch Schablonen im Maßstab 1 : 1 vor Ort am 2. Juni 1929. Seinen ursprünglichen Plan eines Rathenau-Hains hatte Kolbe zwischenzeitlich aufgeben müssen (W 28.030). Die endgültige Auftragserteilung erfolgte erst am 30. November 1929 ‒ zu spät, um die Herstellung des großen Gipsmodells noch vor dem Winter vornehmen zu können. Dies musste wegen des großen Formats unter der Leitung von Andreas Moritz, der auch die exakte Steigung der Spindel berechnet hatte, in der Bildgießerei Noack im Freien vorgenommen werden. Die endgültige Einweihung der Brunnenanlage konnte erst fast ein weiteres Jahr später, am 27. Oktober 1930, stattfinden.
Die erhöht stehende Brunnenspirale (W 30.005_01), die wie ihr Fundament oder Sockel anmutende Treppe (W 28.031) und die an ihren Wangen angebrachten Bildnisreliefs (W 30.005_02, W 30.005_03) schlossen sich aus der Perspektive der auf die Brunnen-Anlage zulaufenden Allee zu dem Bild eines „symbolischen Denkmals“ zusammen, das für gewöhnlich aus den drei Elementen eines figürlichen oder abstrakten Symbols, das geeignet erschien, den zu Ehrenden zu charakterisieren, eines Sockels, der diesem eine herausgehobene Stellung verschaffte, und eines dort angebrachten Bildnis(reliefs), das ihn als Person vergegenwärtigte, bestand.
Fatal sollte sich die „geistvolle Bemerkung“ eines Wortführers der Kunstdeputation auswirken, „das sei ja die Steuerschraube“ (Kolbe 1931, S. 144). Damit hatte der Brunnen seinen Spitznamen (bis heute) erhalten. Er galt fortan vor allem als Ausdruck des als drückend empfundenen „Steuer-un-wesens“ (Deutsche Zeitung, 30.10.1931), gegen das kräftig polemisiert wurde. Bald nach ihrer Einweihung wurde die Anlage geschändet. Die Parole „Der Judenrepublik gewidmet“, mit der der Brunnen später ein weiteres Mal beschmiert worden war, belegt, dass er Angriffen von antisemitischer, aber auch antidemokratischer Zielrichtung ausgesetzt war. Der ursprüngliche Witz von der „Steuerschraube“ hatte bei der Bevölkerung immer weitere Verbreitung gefunden und wurde 1934 ein ernsthaftes Argument für die Entfernung des Brunnens. Anlässlich einer Massenkundgebung der NSDAP wurde festgestellt, dass der Brunnen eine zu große politische Belastung darstellte. Er wurde daraufhin durch die Bildgießerei Noack, die ihn gerade einmal drei Jahre zuvor errichtet hatte, demontiert und eingelagert. Es war zwar die Wiederaufstellung in einem anderen Bezirk in Aussicht gestellt worden, als es jedoch 1941 darum ging, für den nicht weit entfernten Schillerpark eine Bronzereplik des Begasschen Schillerdenkmals vom Gendarmenmarkt zu gießen, wurde dafür der Rathenau-Brunnen ohne weiteres eingeschmolzen.
Die schon seit den 1950er-Jahren angedachte Rekonstruktion des Brunnens konnte schließlich 1987 im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins durch den Bildhauer Harald Haacke umgesetzt werden, der anhand von Maßangaben und Originalfotos das Brunnenmodell und die Bildnisreliefs nachschuf ‒ wiederum in Zusammenarbeit mit der Bildgießerei Noack.