Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

In der Ausstellung in der Galerie Flechtheim in Berlin war die „Schwebende“ (W 26.008) im März 1930 nicht nur dem Vertreter der Bayrischen Gemäldesammlungen aufgefallen, für die der Bronzeguss schließlich erworben wurde, sondern auch dem preußischen Kultusminister Adolf Grimme, der zu dieser Zeit mit dem Bau des Berliner Haus des Rundfunks von Hans Poelzig befasst war. Für dessen zentralen Lichthof sollte Kolbe eine Vergrößerung der „Schwebenden“ schaffen, in deren Ausdrucksgeste er einen allegorischen Sinn, die vom Haus des Rundfunks aufsteigenden Radiowellen, erblickte. Statt eines Entwurfs von Rudolf Belling, der von Poelzig favorisiert worden sein soll, für dessen Umsetzung aber die finanziellen Mittel fehlten, wurde Kolbes „Nacht“ vom Kultusministerium dem Haus des Rundfunks gestiftet. Der Auftrag für die Vergrößerung wurde im Oktober 1930, für den Guss im November erteilt, im Januar 1931 erfolgte rechtzeitig vor Eröffnung des Hauses die Aufstellung auf einem eigens gefertigten Steinsockel, in dem charakteristisch gestalteten Lichthof der einzige Schmuck. Belling, dessen Entwurf explizit die über den Erdball ausgesendeten und von Zuhörern empfangenen Radiowellen thematisiert hatte, kritisierte die schlichte Vergrößerung einer nicht für den spezifischen Ort entworfenen Figur.
Bereits 1934 wurde die „Nacht“ durch die Figurengruppe „Sinnbild der Rundfunkeinheit“ von Hans Schellhorn und Hermann Fuchs ersetzt, die einen von einem „Arbeiter der Faust“ und einem „Arbeiter der Stirn“ flankierten SA-Mann darstellte, und eindeutig die Ideologie der NS-Propaganda zum Ausdruck brachte, die nun die Kontrolle über den Rundfunk übernommen hatte. Noch im selben Jahr wurde die „Nacht“ von Kolbe für die Deutsche Siedlungsausstellung München 1934 vorgeschlagen und dort in einem Gartenhof der Hallenausstellung unter dem Titel „Die Erwachende“ als seine persönliche Leihgabe an einem Wasserbecken ausgestellt. 1937 konnte sie noch in zwei Schweizer Ausstellungen in Zürich und Bern (jeweils mit dem Vermerk „Haus des Deutschen Rundfunks, Berlin“) gezeigt werden und gelangte schließlich in das Sendehaus des Reichssenders Königsberg von Hanns Hopp. Aufnahmen aus dem dortigen Innenhof belegen ihren letzten bekannten Standort.
Der Lichthof im Haus des Rundfunks hatte den Krieg nahezu unbeschadet überstanden, wurde aber in den 1950er-Jahren im Stil der Zeit grundlegend umgestaltet. Im September 1964 wurde vom Berliner Senat ein Neuguss der „Nacht“ veranlasst, um sie im Januar 1965 als Dauerleihgabe wieder im Lichthof aufzustellen. Die seitdem geplante Wiederherstellung der ursprünglichen Gestaltung von Poelzig konnte erst 1987 realisiert werden. Von dem erhaltenen Gipsmodell wurden weitere posthume Güsse hergestellt.