Transkription

25.3.02 [Datum von anderer Hand zugefügt]

Lieber Kolbe,

Ich habe meinen Besuch bei Ihnen nun doch
auf den April verschieben müssen. Sie werden zwar
lachen und sagen, Sie hätten es gewußt; Es ließ
sich aber nicht machen. Der einzige Wochentag,
der mir wegen meiner Sitzungen möglich ist, der
Freitag, war bereits auf dem Kalender für Leipzig vorge-
merkt, ich mußte schließlich wegen einer Gesellschaft
dableiben, die meine Mutter gab. Zum Charfreitag
in der nächsten Woche bin ich bei meiner Schwester
auf dem Land eingeladen und werde deshalb,
wenn es Ihnen passt, am 4. April nach Leipzig
kommen. Ich fahre dann mit dem Schnellzug um

Seite 2

4 Uhr und bin dann von 6 ab bei Ihnen, bis wir
müde sind, der letzte Zug zurück geht sehr spät. Ich
behalte so für Sie mehr Zeit als an einem Sonntag,
an dem ich doch um einige Besuche in Leipzig nicht
herumkäme. Bitte schreiben Sie mir bis dahin Ihre
neue Adresse, was Sie zwar schon auf der letzten Karte
thun wollten, dann aber wieder vergaßen.

Mich freute es sehr zu sehen, wie viel verständiger
man Sie in Leipzig beurteilt als in der hiesigen
traurigen Skribentenclique. Ich verfolge Sie mit
herzlichster Teilnahme und habe gewiß unter der
Behandlung Ihrer Arbeit hier in Dresden viel mehr
gelitten als Sie. Meine Zeit ist mit Urteil-

Seite 3

machen ziemlich ausgefüllt und leider auch meine
Kraft, denn ich bin zieml angegriffen und komme
schwer dazu, einmal meine Gedanken zu sammeln,
wobei leider noch immer die alberne Geselligkeit
mitspricht. Nebenbei muß ich mir eine Wohnung
suchen, was eben kein Vergnügen ist.

Leben Sie wohl und grüßen Sie bitte Ihre
Frau. Wenn Sie den Theophilus und den Scheidt
haben wollen, bevor ich komme, so schreiben Sie
bitte eine Postkarte.

Meine Mutter läßt Sie bestens grüßen

Ihr treu ergebener H. S.