Transkription

(Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

z. Zt. Hierlshagen
b/Primkenau
Schlesien

d. 28.XII 43

Mein lieber Herr Lemperle, als Sie
am 17. schrieben, hatte ich eben eine
schreckliche Nacht verbracht – 8 mtr von
meinem Haus an d. Westseite schlug
eine Bombe ein – zerriss vollkommen
die beiden Nachbarhäuser und einen
Teil m. Ateliers – hob das Dach des gr. A.[großen Ateliers] ab
und zerstörte sämtl. Türen und Fensterk[r]euze,
riss die Gartenmauer nieder etc. Das Haus
wurde unbewohnbar. Plastiken in grosser
Zahl sind dahin – die Möbel liess ich dann
räumen – kurz, mein Heim ist für lange Zeit

Seite 2

dahin – meine Nerven desgleichen.
Seit dem Tode meiner lieben Frau
war dies die zweite schwere Wunde,
die mir geschlagen wurde. Nach einer
Woche Kellerdasein bin ich nun hier
aufgenommen – freundlich u. gastlich –
doch Ruhe werde ich nicht finden.

Das Keudellsche Haus(1) ist nur im Innern
beschädigt. Gottlob, so kann K. meine
offenstehende Ruine bewachen. Ihre frdl[freundliche]
Konservensendung aus R. erhielt ich kurz
vor der Flucht. Falls Sie mal eine Flasche
direkt hierher schicken, werde ich mich
stets sehr freuen – Herzlich und getreu

Ihr Georg Kolbe

Anmerkungen

  1. Das Haus von Kurt von Keudell, dem Schwiegersohn von Georg Kolbe (verh. mit Leonore seit 1923) ind der Sensburger Allee 26