Transkription

Rom, Freitag am 12./5. 99.

Lieber Graf!

Daß Sie in so langem
Schweigen mir gegenüber
verharren, ist mir gar nicht
recht, jedenfalls wird
mir das Verhältnis zu
Ihnen nicht erleichtert.

Lieber Graf, warum
höre ich garnichts mehr?
An ein Verlorengehen
der Briefe glaube ich absolut
nicht mehr, aber doch werde

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ich heute diese Nachricht
„eingeschrieben“ senden.

Ich weiß nicht einmal,
ob Sie noch in Paris
weilen. Auch die Fürstin
Oettingen-W.[Wallerstein], von
welcher ich jetzt sehr oft
Briefe bekomme, erwähnt
von Ihnen nichts.

Von mir könnte ich viel
erzählen, vor allem hatte
ich aber den Wunsch, Ihnen
etwas Gearbeitetes zu
zeigen. Ich zeichne noch

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immer (kann ich getrost
sagen) mit voller Frische,
und es geht mir recht gut.

Doch genug! erst will
ich etwas von Ihnen hören,
ehe ich mich nocheinmal rühre.

Das Geld v. d. Bank kommt
immer sehr pünktlich.

Also lassen Sie sich nochmals
bitten, lieber Graf, Ende Juni
werde ich jedenfalls Rom auf
einige Monate verlassen.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Georg Kolbe.